Aktuelle Lage am Energiemarkt (Teil II)

Im Interview mit Gert Nowotny – Vorstandsvorsitzender der e.optimum AG

Der Angriffskrieg Russlands hat natürlich massive Auswirkungen auf die Menschen in der Ukraine, denen wir unser ganzes Mitgefühl entgegenbringen. Weiterhin hat die Gesamtlage leider auch extreme Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt. Daher erreichen uns noch immer täglich viele Fragen, die wir bestmöglich beantworten möchten. Im exklusiven Interview erläutert Gert Nowotny, Vorstandsvorsitzender der e.optimum AG, die aktuelle Lage an den Energiemärkten und geht dabei ganz persönlich aus Sicht der deutschen Energieversorger auf die Situation ein.

Herr Nowotny, wie sieht denn die aktuelle Situation aus?

Vielen Dank für die zahlreichen Fragen, die uns erreicht haben. Die aktuelle Situation zeigt, dass Europa oder auch die gesamte Welt vor einer großen Herausforderung steht. Das kann derzeit jeder in den Medien mitverfolgen. Wirft man einen Blick einige Monate oder sogar Jahre zurück, lässt sich erkennen, dass wir aus einer Zeit der Pandemie kommen, die die Wirtschaft bereits extrem belastet hat und natürlich auch nicht spurlos an den Energieversorgern vorbeiging. Jedoch eine Eskalation, wie wir sie in den letzten Wochen und bereits zwei Monaten schon erleben, war nicht absehbar und hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf unser Geschäft. Das sieht man selbstverständlich auch in den Entwicklungen der Strom- und Gaspreise, die seit Kriegsbeginn wieder in Höhen geschossen sind, die für uns vor ein paar Monaten noch unvorstellbar waren. Wir sehen heute Preise an den Handelsplätzen für Strom zwischen 20 und 25 Cent und für Gas zwischen 10 und 13 Cent pro Kilowattstunde. Wir sind hier mittlerweile wieder auf einem stabilen, aber dennoch sehr hohen Niveau angekommen. Die Preise liegen beispielsweise bei Gas im Einkauf zehnfach höher im Vergleich zu den Preisen, die wir noch vor ungefähr einem Jahr an unseren Handelsplätzen beobachten konnten.

Der Konflikt hat neben Strom und Gas weitere Ausprägungen: Die Kohlelieferungen wurden eingestellt. Kohle ist ein wesentlicher fossiler Brennstoff für die Kohlekraftwerke, die Strom in Deutschland erzeugen. Hier ist die Tonne mittlerweile auch bereits bei ungefähr 230 US-Dollar gelandet. Vor etwa einem oder anderthalb Jahren lag diese noch bei unter 80 US-Dollar. Man erkennt hier also die erheblichen Folgen dieses Ukraine-Krieges in vielen Bereichen, welche letztendlich immer auch auf die Energiepreise Einfluss nehmen. Diese bezahlen die Industrie und die Endverbraucher und das hat natürlich massive wirtschaftliche sowie gesellschaftspolitische Auswirkungen.

Bestehen aus Regierungssicht denn generell Handlungsmöglichkeiten, um die Preise zu drücken?

Ja, hier gibt es auf jeden Fall Handlungsmöglichkeiten. Die Bundesregierung hat sich nun auf ein Entlastungspaket geeinigt, das sowohl Privathaushalte als auch Gewerbe, Handel und Industrie in den Blick nimmt. Hier sind vor allem zügige Entlastungen gefordert – beispielsweise durch die Absenkung der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energieumfeld, die einen doch erheblichen Anteil am gesamten Energiepreis ausmachen. Ebenso ist bereits die Abschaffung der EEG-Umlage beschlossen. Das ist ein wichtiger erster Schritt bei der Senkung der Stromkosten in Deutschland.

Könnten also staatliche Beihilfen auch die massiven Auswirkungen des aktuellen Krieges abfedern?

Ja, das könnten Sie tatsächlich. Aktuell arbeitet die Europäische Kommission daran, den Mitgliedsstaaten klare Leitplanken zu geben. Laut dem Vertrag für die Arbeitsweise der Europäischen Union kann die Kommission mit dem Binnenmarkt vereinbarte Beihilfen erklären, um erhebliche Störungen in der Wirtschaft zu vermeiden. Damit könnten die Mitgliedsstaaten Unternehmen, die besonders stark von der derzeitigen Krise betroffen sind, gezielt Unterstützung in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen oder auch Darlehen zukommen lassen.

Wir wissen bereits, wie hart die hohen Preise natürlich besonders die Verbraucher treffen. Doch auch die Energieversorger selbst sind betroffen. Können Sie uns die Problematik aus Unternehmenssicht schildern?

An dieser Stelle haben die Energieversorger ein besonderes Thema zu lösen – und zwar in zwei wesentlichen Punkten: Zum einen führen die hohen Beschaffungspreise bei den Energieversorgern zu sehr hohen Vorfinanzierungskosten für den Energie-Einkauf. Zum anderen sind die Anforderungen an die Sicherheitsleistungen gegenüber den Handelspartnern und Vorlieferanten extrem gestiegen. Das hat zur Folge, dass bereits einige Energieversorger ihre Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Kunden nicht mehr erfüllen konnten, bis teilweise hin zu Insolvenzen bei den Lieferanten.

Die große Frage ist natürlich: Wie kommen wir von e.optimum durch diese angespannte Situation? Auch unser Modell steht derzeit unter einer Belastungsprobe, aber hier muss ich einfach sagen, dass wir rechtzeitig gut vorgesorgt haben. Wir sind wirtschaftlich und finanziell sehr gut aufgestellt. Wir haben rechtzeitig begonnen, Energiemengen für die Zukunftsquartale und kommenden Monate einzukaufen, um die Preise für die Kunden abzufedern. Damit halten wir auch für uns selbst das Vorfinanzierungsrisiko in Grenzen, die bewältigbar sind. Insofern können wir unseren Kunden die gute Botschaft mitgeben, dass sie mit e.optimum einen sicheren Energiepartner an ihrer Seite haben.

Viele Verbraucher sind aus gegebenem Anlass besorgt, dass vielleicht bald gar kein Gas mehr bei uns ankommt. Wie sicher ist die Energieversorgung in Deutschland?

Das ist eine gute Frage. Hier müssen wir uns auf die offiziellen Aussagen der Bundesregierung verlassen. Diese besagen unter anderem, dass die Energieversorgung in Deutschland zu den sichersten der Welt gehört. Bei Erzeugungsengpässen stehen viele Reservekraftwerke bereit, um kurzfristig Energie zu produzieren. Hier sind natürlich insbesondere Gaskraftwerke gemeint. Sollte es zum Ausfall russischer Gaslieferungen kommen, sind die Speicherbetreiber angehalten, Mengen auszuspeichern und so die Versorgungslage sicherzustellen. Laut offiziellen Berichten bedeutet das Stand heute, dass die Mengen für einige Wochen ausreichend sind. Das ist sicherlich auch richtig, wenn wir in die Sommermonate kommen. Ich glaube dennoch, dass es ein vorsichtiges Abwägen bei der Diskussion um ein Gasembargo geben sollte. Wie gerade erwähnt, ist es im Sommer sicherlich möglich, die Versorgung über alternative Lieferquellen sicherzustellen: insbesondere Holland, überwiegend Norwegen und die verschiedenen Gasspeicher, die in Deutschland teilweise befüllt sind. Im Hinblick auf die kommende Winterzeit wird das meines Erachtens jedoch nicht ausreichen. Und das führt dann zu weitreichenden Konsequenzen, denn:

Die Wirtschaft kommt wie schon erwähnt aus einer Pandemie und ist also insofern bereits extrem gestresst, es herrscht seit zwei Monaten Krieg, wir haben extrem unterbrochene Lieferketten und sehr teure Rohstoffpreise an allen Fronten. Eine Beschleunigung der Inflation, die wir aktuell miterleben, führt gleichzeitig in Summe zur Beschleunigung einer tendenziellen Abwärtsspirale – nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Man sollte sich also sehr wohl überlegen, inwiefern man von Gasabschaltungen spricht. Ich bin ein Freund des Dialoges, um Lösungen zu finden. Hier geht es meiner Einschätzung nach mittlerweile um eine gesamtwirtschaftliche, weltpolitische Lage. Ich bin dafür, dass man einen Ausgleich findet, um die Schäden für Gesellschaft und Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Am Ende des Tages bleibt für mich die etwas unklare Sicht darauf, wie eine praktische Umsetzung einer Gasabschaltung in der Wirtschaft stattfinden soll – auch bei rechtlichen Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang aufkommen. Wir sollten versuchen, dass die Gasströme weiterfließen und alles zu einem friedlichen und vernünftigen Ende führt.

Wie lautet Ihr persönlicher Rat für Kunden bei steigenden Energiepreisen?

Ich bin da ganz einfach gestrickt. Das erste Gebot lautet immer: Energie einsparen. Davon bin ich ein sehr großer Freund und versuche das auch zuhause immer meiner Familie näher zu bringen – ziemlich erfolglos leider. Im zweiten Schritt kann man zur Vermeidung von hohen Nachzahlungen die Abschläge vorsorglich in Abstimmung mit dem Energieversorger anpassen. Sollte man privat oder auch als Unternehmen in finanzielle Engpässe geraten, würde ich mich mit meinem Lieferanten oder Energieversorger in Verbindung setzen. Hier gibt es Optionen, wie beispielsweise Ratenzahlungen. Die Lieferanten haben sich an vielen Stellen auch soweit wie möglich auf diese Situationen vorbereitet. Für uns bei e.optimum ist es immer enorm wichtig, gemeinsam mit den Unternehmen, unseren Partnern und Kunden eine passende und umsetzbare Lösung zu finden. Denn wir gehen davon aus, dass die Welt sich morgen wieder weiterdreht und die Sonne wieder aufgeht. Wir setzen auf nachhaltige Partnerschaften und finden immer einen gemeinsamen Weg.

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