Energieversorgung: Was ist eine Dunkelflaute?

Interview mit unserem Energie-Experten Philipp Huber

Mitte Dezember 2024 war es soweit. Es geschah, wovor Kritiker erneuerbarer Energien schon lange warnen: Eine Dunkelflaute erreichte Deutschland. Philipp Huber aus dem Portfoliomanagement erklärt im exklusiven Podcast-Interview, was es mit diesem Phänomen auf sich hat und was es für die Energieversorgung und -wirtschaft bedeutet.

Philipp, erklär uns doch gerne einmal, was genau eine Dunkelflaute ist und warum sie in der Energiewirtschaft für so viel Aufsehen sorgt?

Ja, sehr gerne. Grundsätzlich ist das Thema nicht ganz neu, das gibt es tatsächlich schon länger. Aber in den letzten sechs Monaten, vor allem im Winter, ist das Thema öfters aufgetreten und deshalb auch in der Presse und den Nachrichten präsenter zum Nachlesen gewesen. Was ist eine Dunkelflaute? „Dunkel“ deswegen, weil gerade im Winter die Sonne bei diesem Phänomen nicht scheint. Das bedeutet die PV-Erzeugung ist deutlich reduziert. Und „Flaute“ bezieht sich auf die Windenergie und bedeutet, dass der Wind wenig bis gar nicht weht und somit haben wir auch aus Windanlagen keine Erzeugung. Das sorgt insgesamt einfach dafür, dass dann aus den erneuerbaren Energien fast gar nichts an diesem Tag produziert wird und diese Lücke müssen dann andere Kraftwerke füllen –  überwiegend Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen. Was helfen würde: Wenn wir irgendwann die E-Mobilität in der breiten Masse haben, denn das sind Speicher, die man zum Teil nutzen kann. Und wenn die Wärmepumpe sich weiter durchsetzt, kann man Strom auch in Form von Wärme speichern. Das würde das Netz natürlich massiv entlasten und dafür sorgen, dass das gesamte System besser ausbalanciert ist.

Wie häufig kommt es denn in Deutschland zu solchen Wetterlagen und welche Auswirkungen haben sie auf die Energieversorgung?

Gott sei Dank sind das immer nur sehr begrenzte Phasen. Diesen Winter 2024/25 hatten wir etwa vier oder fünf Phasen mit einer sogenannten Dunkelflaute. Ich erinnere mich noch daran, dass eine solche Phase Ende November 2024 fast eine Woche andauerte, in der Regel sind das aber eher Events von einem oder zwei Tagen und auch dann beschränkt sich der (Preis-)Effekt auf wenige Stunden eines Tages. Ein Beispiel: Oft ist es so, dass im Verlauf des Tages die Spotmarktpreise an der Börse zwar hoch sind, aber relativ konstant.  Man sieht dann aber einen sehr starken Ausschlag gerade gegen die Abendstunden, etwa um 18 oder 19 Uhr. Warum ist das so? Weil da natürlich die PV im Winter gar keine Leistung mehr bringen kann und wenn auch der Wind dann noch fehlt, dann müssen hier 100% der Energie aus fossilen Brennstoffen unseres gesamten Kraftwerkparks – also Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke – bereitgestellt werden. Deshalb ist der Strom in solchen Phasen unglaublich teuer. Während der Dunkelflaute im November lag der Durchschnittspreis über den ganzen Tag teilweise über 40 Cent pro Kilowattstunde – nur der reine Energiepreis. Zum Vergleich liegt ein normaler Spotmarktpreis aktuell bei etwa 9 bis 11 Cent pro Kilowattstunde. Da sieht man deutlich die Schwankungsbreite, die auftreten kann.

Wie kann das Stromnetz auf diese Belastung reagieren und wie wichtig ist der Netzausbau dabei?

Das Stromnetz kann natürlich dahingehend reagieren, dass es insgesamt flexibler wird oder werden muss. Das heißt, dass es saisonale oder regionale Schwankungen in der Stromerzeugung bei den Erneuerbaren gut ausgleichen können muss. Als Beispiel: Wenn ich viel Wind im Norden habe, im Süden aber wenig Wind, dann brauchen wir einfach Transportkapazitäten, die den Strom vom Norden in den Süden bringen. Saisonal ist die größere Hürde. Wir müssen beispielsweise Strom im Sommer vielleicht auch einspeichern, um ihn im Winter, wenn die PV nich gut läuft, verfügbar zu haben. Das sind Herausforderungen, auf die das Netz ganz klar vorbereitet werden muss, aber wir brauchen dann auch am Netz Stromspeicher. Für die längerfristige Speicherung braucht es zusätzlich anderweitige Speicher, zum Beispiel Wasserstoff könnte eine Lösung sein. Und genau dieser Ausbau ist im Moment die „Achillesverse“ der Energiewende, weil für den Netz- und Stromspeicherausbau hohe Investitionen notwendig sind.

Sind Dunkelflauten ein unüberwindbares Hindernis für die Energiewende?

Das ist eine ganz spannende Frage! Ich würde es vielleicht sogar anders formulieren und sagen, sie sind im Moment ein notwendiges Übel. Was meine ich damit? Die Dunkelflaute sorgt dafür, dass die Strompreise für bestimmte Stunden eines Tages extrem hoch sind – das hatte ich bereits erwähnt. Diese Preisspitzen braucht es aber auch als Anreiz, damit Speicher ausgebaut werden. Ein Speicherbetreiber verdient an diesen Preisspitzen, weil er dann tendenziell den Strom eher wieder zur Verfügung stellt und verkauft. Vorher muss er den Strom einkaufen, bestenfalls natürlich günstiger. Und an diesem Preisunterschied verdient der Speicherbetreiber dann. Und wir brauchen diese Speicher! Sie werden jetzt auch massiv ausgebaut und die Zubauzahlen, beziehungsweise die Projekte, die in der Pipeline sind, werden die nächsten Jahre enorm sein und die Energiewende voranbringen.  Aber noch haben wir diese Speicher nicht und damit die Investitionen stattfinden, braucht es eben die Preisspitzen durch Dunkelflauten. Von daher ist die Dunkelflaute grundsätzlich für den Stromkunden ein „schlechtes“ Event, aber für den Ausbau und den Fortschritt der Energiewende notwendig. Man muss auch klar sagen: Das umgekehrte Event, nämlich dass wir zu viel erneuerbare Energien im Netz haben und dadurch die Preise extrem günstig sind, das schlägt die negativen Auswirkungen der Dunkelflaute um einiges! Die Energiewende grundsätzlich ist etwas sehr Positives und sorgt langfristig auch dafür, dass wir günstigere Energiepreise haben.

Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die Auswirkungen einer Dunkelflaute abzumildern? Gibt es da schon bewährte Strategien?

Das kann man gut trennen in zwei verschiedene Sichtweisen: Einmal, indem man es nur auf die Technik oder das Stromsystem reduziert. Dann muss man nochmal sagen, wir brauchen einfach Speicher, um die Dunkelflauten in den Griff zu bekommen. Insbesondere brauchen wir Speicher, die Strom von einem Tag zum nächsten Tag transferieren können oder auch innerhalb eines Tages Strom einspeichern können. Beispielsweise mittags um 12 Uhr im Sommer ist es super, wenn ich den PV-Strom einspeichern kann und ihn dann abends, wenn die Sonne nicht mehr scheint, zur Verfügung habe. Wir brauchen auch langfristige Speicher, wie erwähnt. Da ist es noch nicht ganz klar, in welche Richtung sich das bewegen wird. Wasserstoff wird viel diskutiert. Das sind dann aber in jedem Fall langfristige Speicher, bei denen ich Strom auch wirklich vom Sommer in den Winter speichern kann. Insgesamt wird das Stromsystem aber flexibler werden müssen, auch dahingehend dass Verbraucher ihren Energieverbrauch steuern – also dann viel verbrauchen, wenn wir auch viel Strom haben. Das wird auch immer mehr kommen mit den Smart Metern. Last but not least auch ganz wichtig: Stromimporte und -exporte. Da findet über Ländergrenzen hinweg viel Handel statt und das ist auch wichtig. Wenn Deutschland beispielsweise viel Strom hat, dann können wir andere Nachbarländer mitversorgen und umgekehrt, wenn wir zu wenig haben, können wir auch aus dem Ausland Strom beziehen. Das ist wirklich ein ganz wichtiger Faktor. Das war die technische Seite.

Wenn man es jetzt mal auf die „Hedging“- oder Absicherungsseite bezieht, also im Stromeinkauf, dann kann man Dunkelflauten auch abmildern, indem man einfach rechtzeitig größere Kontingente am Terminmarkt preislich absichert. Das machen wir bei der e.optimum in der Beschaffung.

Bei e.optimum setzen wir auf eine strukturierte Beschaffung, die sowohl den Spot- als auch den Terminmarkt umfasst. Warum ist dieses Modell besonders in Zeiten von Dunkelflauten vorteilhaft?

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass die Vorteile der Energiewende – sprich die günstigeren Preise durch den Zubau von Wind- und PV-Anlagen – am Spotmarkt realisiert werden. Deshalb ist es sehr gut, wenn man den Spotmarkt in seine Beschaffung, also in den Energie-Einkauf miteinbezieht. Das tun wir bei e.optimum zu 50 Prozent. Dadurch haben wir in den letzten Jahren auch sehr gute Energiepreise erzielen können. Aber klar ist auch, in Phasen wie der Dunkelflaute sind die Preise hoch, die nimmt man am Spotmarkt dann genauso mit, also das geht in beide Richtungen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man ein Modell hat, das eben nicht nur die preisliche Chance vom Spotmarkt realisiert, sondern man braucht auch eine Absicherung. Und das macht e.optimum durch gezielte Terminmarktkäufe, bei denen wir zu einem Festpreis im Vorfeld Stromkontingente bis zu 50 Prozent einkaufen. Dadurch erzielen wir zusätzliche Preissicherheit. Wir haben in unserem Modell also quasi die Dunkelflaute zu 50 Prozent schon dadurch eliminiert, weil wir im Vorfeld Strom am Terminmarkt eingekauft haben. Das hilft uns dann eben dabei, Stromschwankungen stärker abzumildern. In Zeiten wie bei einer Dunkelflaute ist ein Modell, bei dem ich auch gewisse Festpreisanteile drin habe, absolut Gold wert. Wir haben quasi einen Spotmarkttarif mit eingebautem „Fallschirm“.

Abschließend noch eine Frage zur zukünftigen Entwicklung: Was denkst du, wie wird sich die Häufigkeit von Dunkelflauten in den kommenden Jahren entwickeln und wie sollten wir uns darauf vorbereiten?

Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich muss man sagen: Dass sowohl der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, das ist sehr selten. In der Regel gleichen sie sich ganz gut aus oder ergänzen sich gut. Deshalb ist die Häufigkeit grundsätzlich aktuell gering. Wir hatten solche Phasen wie bereits erwähnt in den letzten sechs Monaten vier bis fünf Mal. Fakt ist aber auch, solange wir eben keine Speichermöglichkeiten haben, werden solche Events auch immer wieder auftreten und sie werden vielleicht auch kurzfristig sogar in der Häufigkeit zunehmen. Aber langfristig, wenn dann die Flexibilisierung im Verbrauch und in der Erzeugung verbessert wird und wir mehr Speicher in der breiten Masse verfügbar haben, sollten diese Events in der Anzahl und auch der Ausprägung wieder zurückgehen. Ganz einfach, weil eben beispielsweise Speicherbetreiber dann natürlich einen großen Anreiz haben, zu diesen Zeiten zu verkaufen und dadurch sollte das System insgesamt stabilisiert wreden.

Eine weitere spannende e.pod-Folge zum Thema Energiewende mit unserem Experten Philipp Huber finden Sie hier: Die Zukunft der erneuerbaren Energien: Trends und Entwicklungen bis 2030

Sie haben noch Fragen oder Interesse an unserer strukturierten Beschaffung? Melden Sie sich gerne bei uns: eoptimum.de/kontakt

Das könnte Sie auch interessieren

Podcast

Stromsteuer-Entlastung für Unternehmer

In dieser e.pod-Folge begrüßen wir Johannes Burkhardt von unserem langjährigen Partner Energie Weitblick, um gemeinsam in die Welt der Stromsteuer einzutauchen und Einsparmöglichkeiten für Unternehmer zu identifizieren.
Podcast

Vorstand Stefan Müller im Interview: Über 150 Millionen Euro Kostenvorteil duch strukturierte Beschaffung

In dieser e.pod-Folge erklärt Vorstand Stefan Müller, wie unser strukturiertes Beschaffungsmodell über 150 Millionen Euro Kostenvorteil in 2024 erzielte. Hören Sie jetzt rein und erfahren Sie mehr über unseren cleveren Energie-Einkauf!
Podcast

Dynamische Tarife: Unsere smarte Alternative

Ab 2025 sind alle Energieversorger dazu verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten. In dieser e.pod-Folge sprechen wir mit unserem Produktmanager Thomas Schmidt über genau dieses Thema und darüber, wie e.optimum auf diese Pflicht reagiert.